Der vom Arbeitnehmer erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub geht nicht deshalb automatisch verloren, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Der Anspruch geht nur dann unter, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der Arbeitnehmer freiwillig und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen Jahresurlaub zu nehmen, obwohl dieser ihn tatsächlich hätte nehmen können.

Zum Sachverhalt: Der Kläger absolvierte als Rechtsreferendar seinen juristischen Vorbereitungsdienst beim Land Berlin. Während der letzten Monate wurde von ihm kein bezahlter Jahresurlaub in Anspruch genommen. Er beantragte eine finanzielle Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage nach Ende des Vorbereitungsdienstes. Dieser Antrag wurde vom Land Berlin abgelehnt. Der Kläger focht diese Ablehnung vor den deutschen Verwaltungsgerichten an.

Im anderen Sachverhalt war der Kläger bei der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften beschäftigt gewesen. Zwei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Kläger darum gebeten worden, seinen Jahresurlaub zu nehmen. Zwei Urlaubstage sind vom Kläger in Anspruch genommen worden. Für die restlichen verlangte er eine finanzielle Vergütung. Die Max-Planck-Gesellschaft lehnte dies ab. Der Kläger wandte sich mit seinem Begehren an die deutschen Arbeitsgerichte.

Das OVG Berlin-Brandenburg und das BAG ersuchten den EuGH zur Klärung der Frage, ob das Unionsrecht der nationalen Regelung entgegensteht, wonach der nicht genommene Jahresurlaub bzw. eine finanzielle Vergütung verloren geht, sofern der Arbeitnehmer den Jahresurlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat. Ersucht wurde der EuGH daher zur Auslegung der RL 2003/88/EG vom 4.11.2003. Dieser lehnte einen automatischen Verlust ab, gab jedoch gleichzeitig Kriterien vor, bei denen ein Verlust mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Der automatische Verfall des Jahresurlaubs bzw. der finanziellen Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, sofern es lediglich darum geht, dass der Arbeitnehmer diesen zuvor nicht beantragt hat. Der Arbeitnehmer ist die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses. Die Einforderung seiner Rechte kann sich für ihn nachteilig auswirken. Die Ansprüche können jedoch dann untergehen, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, den Jahresurlaub rechtzeitig zu nehmen, er in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat und der Arbeitgeber dies beweisen kann. Jede Auslegung des Unionsrechts, die dazu führen würde, dass der Arbeitnehmer keinen bezahlten Jahresurlaub nimmt, um seine Vergütung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhöhen, würde die verfolgten Ziele des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub verfehlen. Diese dienen dem Schutz seiner Sicherheit und Gesundheit.

Die aufgestellten Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer bei einem öffentlichen oder privaten Arbeitgeber beschäftigt ist.